Alles ist plötzlich anders…Sarah Von Charmier

Ich bin Sarah, Schauspielerin, Autorin, irgendwie wohl auch Träumerin, Inspirationsgeberin
und ich bin eine von Acht. Eine von 8 Frauen erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs.
Als ich die Diagnose Brustkrebs bekam, war von jetzt auf gleich alles anders. Ich hatte das
Gefühl, dass gerade jetzt meine Schauspiel- sowie auch meine Autorinnenkarriere Fahrt
aufnahm. Ich schrieb gerade zwei Drehbücher für verschiedene Genres und wollte jeden Tag
noch mehr dazulernen, immerhin hatte ich im Sommer 2022 erst Til Schweiger dabei zusehen
dürfen, wie er Filme macht, was für mich eine Rieseninspiration war und woran ich unbedingt
anknüpfen wollte. Meine Karriere, an der ich so hart in den letzten Jahren gearbeitet hatte &
wegen der ich oft 60 Stunden oder mehr arbeitete, zerfiel in diesem Moment vor meinen
Augen. Alle meine Träume und Erfolge, als auch Fehler, Misserfolge und Probleme verloren
jeglichen Wert, denn ohne meine Gesundheit war ich nicht fähig, auch nur an eins dieser
Dinge anzuknüpfen, zumindest für eine lange Zeit.
Während sich die Welt einfach weiterdrehte, blieb meine plötzlich stehen, um dann nur noch
in Zeitlupe weiterzulaufen.
Überleben und statt Äußerlichkeiten, Innere Werte erkennen
Krebs und die erste Frage in meinem Kopf: Überlebt man das? Darauf so viele weitere, um
dann im nächsten Moment nur noch an meine Haare zu denken, die erstmal offensichtlich das
kleinste Problem darstellten, mich aber sehr davor schützten, völlig in mir
zusammenzubrechen. Immerhin waren meine Haare etwas, was ich noch selbst einigermaßen
kontrollieren und beeinflussen konnte.
Meine Motivation war es schon immer, zu inspirieren und Menschen dazu zu befähigen sich
selbst vollständig anzunehmen und ich wusste, dass dies jetzt auch der Moment war, das
gleiche für mich zu tun und vielleicht dadurch auch so vielen anderen zu zeigen, wie leicht es
ist, man selbst zu sein.
Ich entschied mich dazu, die Haare zu verlieren, nicht allein durch die Krankheit bestimmen
zu lassen, sondern sie selbstbestimmt schon vorher massiv zu kürzen. Meine hüftlangen,
braunen Haare, für die ich viele Komplimente bekam, mussten ab. Es sollte eine aschblonde
Kurzhaarfrisur like Marilyn Monroe sein. Wenn ich schon gezwungen war diese Veränderung
durchmachen zu müssen, wollte ich sie wie ein Filmstar oder Rockstar nehmen. Ich war sehr
überrascht, wie unheimlich gut ich diesen neuen Look fand, der plötzlich ganz viel auch für
mich veränderte. Ich definierte mich sehr auch über meine Haare und hatte, wie ich dachte,
meine Identität lange gefunden. Niemals hätte ich mich freiwillig von meinen Haaren
getrennt. Der neue Look gefiel mir aber so gut, dass heute sogar meine Perücke kurz und
blond ist. Mein Blick nach außen wich einem Blick nach innen und der war wunderschön.
Haarverlust & die Wichtigkeit von Öffentlichkeit
Durch meine Entscheidung meine Geschichte auch auf Social Media zu teilen, insbesondere
beginnend auf TIKTOK, schauten über 2 Millionen Menschen dabei zu, wie ich meine neuen
Haare abrasierte und eine weitere Identität gewann. Eine Glatze zu tragen, wäre vorher noch
weniger vorstellbar als kurze Haare für mich gewesen, aber auch diesen Schritt konnte ich
nach einigen Tränen verkraften. Ich entdeckte etwas Neues: Schwäche zu zeigen, ist wichtig
und richtig, blickte wieder nach Innen und was ich sah, war nur ich und das reichte aus für
alles.
Die Wichtigkeit aller meiner Videos wurde mir erst mit der Zeit bewusst, denn innerhalb von
vier Wochen folgten mir 35.000 Menschen und bestärkten mich darin positiv zu bleiben,
teilten ihre Geschichten mit mir und sagten mir, wie unglaublich sie meinen Mut und meine
Stärke fanden. Hinzukamen viele Tipps und Erfahrungsberichte, die mir halfen, die Diagnose
Brustkrebs nach und nach immer mehr zu verstehen. Es gab Nachrichten, die mir bewusst
machten, wie wichtig dieser offene Umgang auch für andere ist, weil er damit nicht nur
aufklärt und sensibilisiert, sondern sich so anfühlen lässt, als wäre man nicht allein. Ich zeigte
ungefiltert alles, was mir je nach Verfassung möglich war, weil ich selbst gerne gewusst hätte,
welcher Weg mich erwarten würde.
Was Gesundheit bedeutet, wenn man krank ist
Was ich auf dem Weg bis jetzt lernen durfte, war, dass jeder Mensch individuell ist, jeder
Weg verschieden, jedes Problem, egal wie groß es ist, wichtig ist, ein Vergleich niemals einen
Sinn macht, dass es keine Garantien und auch keine vermeintlichen Sicherheiten gibt. Dass
Gesundheit mehr wiegt als jeder Erfolg.
Wenn man krank ist, ist man bereit alles zu geben, um gesund zu werden. Vielleicht ist der
Schlüssel in Gesundheit alles dafür zu geben, nicht krank zu werden. Vorsorge wichtiger zu
nehmen. Nicht zu Müssen, sondern beginnen zu Wollen. Sich selbst verzeihen und mehr in
Achtsamkeit zu leben. Je sorgsamer wir uns selbst behandeln, umso gesünder wird unser
Körper und macht auch unsere Umgebung sensibler. Dazu gehört es auch die eigenen
Grenzen zu kennen, Ruhe einzubauen, die unabhängig jeder Öffentlichkeit und
Außenwirkung ist, da diese Momente nur für uns sind.
Meine Diagnose macht mich nach und nach zur Expertin meiner Krankheit und zu Themen
wie gesunder Ernährung und dem Umgang mit mir selbst und dem Leben. Bis heute werde
ich immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt, die mich mittlerweile das
Gesundheitssystem anzweifeln lassen, aber das ist eine andere Geschichte.